Brief an Ferdinand Wolf in Wien (3)

Fallersleben » Biographie » ( 03. 07. 1835)

La Rauschen, lieb, la Rauschen Ich acht nit, wie es geht – (Wunderhorn II, 50)
so möchtet Ihr wohl singen, Ihr Herren der k. k. Hofbibliothek, als ihr den armen Rauschen zum 44male in die Welt schleudertet, ins ungewisse Menschenlos, denn dieser Bruder Rausch ist mir erst vor wenigen Tagen aus Zittau zukommen. Nun, er befindet sich wohl und munter und ich habe mir seine tollen Streiche von ihm selbst erzählen lassen zu meinem besonderen Ergötzen, auch gerne vernommen, wie er so grundgelehrt ist in allerlei Sprachen und Künsten. Man sollt´s nicht glauben, wenn man´s nicht sähe. Sogar sinesisch! Das ist diabolisch, oder mit Kopitar und Budik zu reden, bestialisch. Doch ich will nicht hyperbolisch werden, es ist die Möglichkeit geschehen. Ich wusste von dem Kerl so gut wie gar nichts und habe doch etwas gewusst, was Sie mitsammt dem gnädigen Herren wissen konnten. Im Anfsessischen Anzeiger irgendwo gebe ich Nachricht über einen Druck des Bruder Rausch. lch kann die Stelle nicht gleich finden und schreibe lieber aus meinen Sammlungen den Titel ab:
„Von Bruder Rauschen, Was Wunders er getriben hat in einem Kloster, darinn er Siben Jar sein zeit vertriben hat, vnd gedient in eines Kochs Gestalt, etc. (Holzschnitt) 15 Blätter. Am Ende: „Gedruckt zu Nürnberg, durch Friderich Gutknecht.“ In der Kirchenbibliothek zu Zelle an der Alter (zwischen Bremen und Fallersleben). Friedrich Gutknecht ist, glaube ich, ein Zeitgenosse von Valentin Neuber, eher älter als jünger, so dass also dieser Druck nach dem ersten angeführt werden musste. Und wie schön, wenn ich auch ins Büchel gekommen wäre.
Was übrigens mein Rauschen anbetrifft, so geht es damit sehr an. Ich trinke seit dem 2. April an 12 Flaschen Wein und gehe selten zu Weine, und ein Geburtstagsgeschenk meines Bruders, ein Anker Wein, ist, schon 1/2 Jahr unterwegs. Uebrigens meinen herzlichen Dank und ich will darauf St. Stephan’s und St.. Ferdinand’s Minne trinken (cf. Horae Belgicae II, 46).
Endlich sehe ich Land hei meinem Wörterbuche zu Floris ende Blancefloer. Sobald es vollendet, beginne ich die Vorrede und dann stosse ich dies Schiff ab. Ich wollte Sie wären hier, oder ich wäre dort, Sie hätten mir in Erklärung der romanischen Wörter wesentlich nützen können. Was heisst: Hi entrimeerde an een sant? Wenn ich auch encrimeerde lese, kommt doch nichts heraus, der Sinn ist wohl:er ankerte. Wissen Sie kein romanisches Wort, was ähnlich klingt?
Auf den 2. Teil der Fundgruben bin ich selbst sehr begierig. Wie es damit werden soll, weiss Gott. Der Stoff ist kaum zu überwältigen und Amts- und andere Arbeiten treten meist immer wieder störend dazwischen, wenn ich einmal im Zuge bin. Ich muss ein neues Collegium ausarbeiten: Encyklopädie und Geschichte der deutschen Philologie. Diesmal sollte ich es schon lesen, es hatten sich aber zu wenig gemeldet, und das war Grund für mich, es aufzuschieben.
Ihr Anerbieten in Bezug auf Graz ist sehr freundlich. Ehe ich Sie, lieber Freund, um bestimmte Dienstleistungen ersuche, muss ich erst meine Papiere genau durchmustern. Uebrigens schreiben wir uns ja noch vor Ihrer Abreise. Meine Monatschrift soll mit der ersten Gelegenheit abgehen, ein Exemplar für Sie, eines für den gnädigen Herren.
Bewegen Sie doch Endlicher, dass er mir auf meine Anfragen antwortet. Er schreibt immer so hastig und beklagt sich, dass er nicht wisse, was ich wünsche, und ich habe mir die Seele schon ausgewunschen. Sollten auch 3 oder 4 Briefe verloren gegangen sein, so ist doch des Gewünschten noch so viel, dass er mit dem Erfüllen alle Hände voll zu tun haben kann. Nun ich ihm geschrieben habe, dass ich komme, nun wird er erst gar nicht schreiben. Sagen Sie ihm, ich läge tödlich danieder an der Sehnsucht nach Wien und meine Schmerzen könnten nur gelindert werden durch ein kleines Brieflein an Ihren und seinen der k. k. Hofbibliothek verpflichteten R. A. U. S. C. H. E. N. Nr. 44. (Am Rande des Blattes: Für Endlicher: Was ist Tyrebijn (so im Reim) oder Turibim für ein Baum, Strauch? An Terebinthus wol nicht zu denken) Es wurden nur eine geringe Anzahl von Exemplaren von dem Büchlein „Von Bruder Rauschen“ abgezogen, darauf bezieht sich auch die Unterschrift Hoffmanns zu diesem Briefe. Budik: Beamter der k. k. Hofbibliothek, später Bibliothekar in Klagenfurt; „dem gnädigen Herren“: Offenbar ist Endlicher gemeint, der mit Wolf den Brnuder Rauschen herausgab, und in den späteren Briefen Hoffmanns meist auf diese Art bezeichnet wird. Die Notiz von Hoffmann steht im 2 Jahrgange, des Anzeigers von Aufsess. Hoffmann kam erst 1839 wieder nach Wien.