Brief von Theodor Heuss an Adenauer

Fallersleben » Deutschlandlied » Kommentare und Kritik » ( 02. 05. 1952)

„Sie haben Recht, ich wollte vermieden wissen, dass in öffentlichen Veranstaltungen mit einem vaterländischen Akzent, gleichviel wie ihre Ausdehnung oder wie ihr Rang sei, ein Missklang ertöne, weil sehr, sehr viele Menschen unseres Volkes Haydns große Melodie nur eben als Vorspann zu dem „dichterisch“ und musikalisch minderwertigen Horst–Wessel–Lied im Gedächtnis haben, dessen banale Melodie den Marsch-Takt in ein Volksverderben abgab.

Doch das ist es nicht allein. Als mich die Frage nach einer Nationalhymne bewegte – und das liegt innerlich längst vor meiner Wahl zum Bundespräsidenten – glaubte ich, dass der tiefe Einschnitt in unserer Volks – und Staatengeschichte einer neuen Symbolgebung bedürftig sei, damit wir vor der geschichtlichen Tragik unseres Schicksals mit zugleich reinem und freiem Herzen, in klarer Nüchternheit des Erkennens der Lage bestehen werden“

Leider hat Heuss ein eher schwaches Gedicht eingereicht, der Text von Johannes Becher hätte eher die benötigte Qualität gehabt, so wurde also nach dem Prinzip des kleineren Übels verfahren und während viele Schreibtischtäter des Dritten Reiches wieder in Amt und Würden kamen , kam auch Hoffmanns Lied wieder an seinen Platz, ohne feierliche Proklamation, darauf verzichtete Theodor Heuss, und um zwei Strophen gekürzt.

Offiziell gehört die erste wie die zweite Strophe zur Hymne, sie sind nicht verboten, sie werden aber auch nicht gesungen. So ist unsere Hymne ein Spiegelbild unseres Landes: Offiziell sind wir demokratisch, aufgeklärt und gastfreundlich ,unsere „Deutschland über alles“ – Vergangenheit wird nicht mehr aufgeführt.

Manchmal möchte man schon selber, wie Hoffmann damals schrieb, mit dem Knüppel aus dem Sack, das ganze amerikanische Gedudel im Radio in die Mülltonne kloppen und den Musikantenstadel gleich mit. Und drauf hauen auf die neuen Philister und ganz besonders auf die „Teutschen“, die der Vergangenheit huldigen und den Fortschritt nicht wagen wollen in ein freies Europa. Manches was Hoffmann damals schrieb, paßt noch immer wie die Faust aufs Auge, anderes was man heute noch singt, war schon zu seinen Lebzeiten völlig veraltet.