Die Vertreibung aus Fallersleben

Fallersleben » Biographie » ( 08. 04. 1843)

Hoffmann schildert in einem Brief vom Karfreitag 1843 an Karl Milde in Breslau, wie die Sache ausging:

„Den Dienstag darauf ging mein Schwager zum Drosten. Dieser meinte, die Sache stünde bedenklich, er habe unsere Auseinandersetzung, die auf dem Amte liegt, gelesen, darauf ließen sich keine Domizilrechte gründen, er könne nicht raten zu einem weiteren Verbleiben. Ich wollte nun die Antwort der Landdrostei abwarten…

Am Mittwochnachmittage kam ein große Kutsche vor unserem Hause an. Der Lieutenant der Landdragoner stieg aus, und seine erste Frage war, ob ich noch da sei. Meine Schwester ahndete nichts Gutes. Die Landdragoner liefen unruhig umher. Der Lieutenant ließ sich gar nicht blicken in unserer Familie. Seine Wohnung war dicht neben der meinigen. Ein Hausfreund wollte gern erfahren, ob dieser Besuch mir gelte. Der Lieutenant erwiderte nein. Das beruhigte die Meinigen nicht, denn er hatte befohlen, um 4 Uhr solle man ihn wecken.

Bald darauf erhielt mein Schwager von jemandem einen Wink für mich: es sei geraten abzureisen. Die Stube war voller Gäste, die gar nicht weichen wollten. Wir berieten hin und her, was zu tun. Meine Nichten sahen die bedenklichen Gesichter der Eltern und weinten. Ich spazierte ín meinen Geburtstagspantoffeln umher und suchte alle zu beruhigen. Als es stiller im Hause und draußen wird, ziehen wir meinen Vetter Behne ins Geheimnis. Er wohnt draußen ein Viertelstündchen vom Orte. Ich sage: Du mußt mir einen Liebesdienst erweisen und sofort anspannen lassen. In einer Stunde bin ich bei Dir. Er geht sofort hinaus und besorgt den Wagen. Es ist 11 Uhr.

Die Landdragoner spazieren auf den Straßen, endlich bemerken wir sie an einem Fenster gegenüber. Mantel und Stiefel werden gebracht, ich bin reisefertig. Mein Schwager begleitet mich. Wir gehen über den Hof in den Kuhstall, brechen einige Steine aus der Wand und kriechen durch. Meine Schwester war uns nachgeeilt; sie nimmt tränenvollen Abschied von mir zwischen der durchbrochenen Wand. Der Mond scheint hell auf den frischgefallenen Schnee. Wir schlagen uns durch die Gärten über Hecken und Stakete und gelangen ins Freie. Wir gehen an den Gärten entlang, die am Ehmer Wege liegen, verfolgen dann eine Feldweg rechts und gelangen so auf der Ziegelei unseres Vetters an. Es ist 12 Uhr. Ich steige in den Wagen und fahre ab; Schlag 3 bin ich zu Braunschweig im deutschern Hause.

Am andern Morgen werden meine sämtlichen Sachen gebracht, die in der Nacht gepackt waren. Gleich darauf läßt sich unser Drost bei mir anmelden; er wohnte dicht neben mir im deutschen Hause. Er hatte sich absichtlich schon nachmittag um 2 den Tag vorher aus Fallersleben entfernt, um einem unangenehmen Auftrage auszuweichen. Er meint, ich hätte zwar nicht nötig gehabt, so schnell abzureisen, aber das müsse er mir doch anzeigen: gestern sei der strenge Befehl bei ihm eingegangen, mich nur noch in Begleitung eines Landdragoners ausgehen zu lassen. Das war die Flucht des Propheten aus seiner Heimat !

Vom 13. April weilt Hoffmann bei Freunden und Verwandten in Braunschweig. (Die folgende Begebenheit findet in „Mein Leben“ übrigens keine Erwähnung.)

Ostersonntag 1843, Braunschweig, an Karl Milde in Breslau

Während ich diese Zeilen schreibe, verläßt mich eben eine Deputation der hiesigen Studenten: sie wollen mir durchaus ein Ständchen diesen Abend bringen, was auch die hiesige Liedertafel beabsichtigt. Ich stelle ihnen vor, daß es unter den jetzigen Verhältnissen für mich besser sei, alle öffentlichen Verehrungen zu vermeiden. Wenn sie mir eine Freude machen wollten, so möchten sie mir lieber in irgendeinem Hause etwas vorsingen. Das wird denn morgen abend geschehen. Ich werde dann mehrere Kompositionen meiner Lieder kennenlernen, die mir bis jetzt noch unbekannt geblieben sind“